mit Vereins- und Bürgerzentrum e. V. Kaisheim

Geschichtlicher Rückblick

Das "Würthshaus" / die Hofwirtschaft

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Die jetzige Hofwirtschaft in Kaisheim wird häufig als Kasernenbau für das Militär der ehemaligen reichsfreien Zisterzienserabtei Kaisersheim genannt. Angeblich wurde dieses denkmalgeschützte Gebäude 1732 nordwestlich außerhalb des Tores an der hier platzartig erweiterten Straße errichtet. Diese Auffassung wird durch den nachfolgenden Auszug aus der Schaidler Chronik *1) widerlegt.

Aus der Schaidler Chronik: 1449 – „Abt und Convent senden eine ehrbare Botschaft an König Friedrich, um ihm anzuzeigen, welche Störungen im Gottesdienste sie leiden müssen durch den Anlauf der Gäste und ihr

ungebührliches Geschrei, - auf dieses Vorbringen haben Ihre Majestät mit Rath und Verwilligung der Reichsfürsten dem Abt und Convent erlaubt, ein Gast- und Schankhaus vor dem Tore zu erbauen, weil das bisherige Gasthaus im Kloster beim Kreuzgang gestanden. Der Kaiser bewilligte auch dafür Freiheiten und setzte eine Strafe von 6 Mark Gold an für jeden, welcher Unzucht, Frevel oder Uebermuth zu üben sich unterstehen würde.” (Schaidler, S. 138)

1659 – „Das Gasthaus außerhalb des Klosters wird erbaut." (Schaidler, Seite 219)


Abb. 1 – Kloster Kaisheim von Westen, vor dem Um- und Neubau 1698 -1723. Maler unbekannt. Oben in der Mitte Wappen des Freien Reichsstifts Kaisersheim unter Abt Judas Thaddäus Mayr (reg. 1696-1698). Engel halten ein Schriftband, auf dem mit Nummern die einzelnen Gebäude benannt sind.
Abb. 1a – Ausschnitt aus Abb. 1
Nr. 9 das 3-geschossige Würthshaus mit 2 Türmchen Nr. 10 die Kirche
St. Martin vor der Pforte (Nr. 8)
Abb. 1b – Ausschnitt aus Abb. 1
Nr. 5 Gasthaus innerhalb der Klostermauern Kaisheims; wahrscheinlich der Standort der späteren Egerwirtschaft (heute Rathaus und Haus des Gastes)

In der vorliegenden Bildbeschreibung zu Abb. 1 wird das Haus mit der Nr. 9 bereits als „Würthshaus“ bezeichnet. Über dem Bild halten Engel ein Schriftband, in welchem u. a. auch das Wappen von Abt Judas Thaddäus Mayr (reg. 1696 – 1698) abgebildet ist. Verwunderlich ist aber, dass das Gebäude Abt Rogerius II. Friesl zugeschrieben wird, welcher es angeblich als Kaserne 1732 errichten ließ. Andererseits wird das Gebäude bereits vor 1732 als „Würthshaus” beschrieben.

Im Zusammenhang mit dem notwendigen Umbau und der Instandsetzung der Hofwirtschaft (2007) wurde eine dendrochronologische Untersuchung durchgeführt und dabei belegt, dass das Bauholz im Winter 1658/1659 eingeschlagen wurde. Nach dem Buch mit dem Titel „Kaisheim – Markt und Kloster“ *2), wurde das Gebäude nicht 1732 sondern mehr als 80 Jahre früher errichtet. In

diesem Buch wird das Bild (Abb. 1) Ende des 17. Jahrhunderts beschrieben, welches auch den zur Erbauungszeit 3-geschossigen, in Abb. 1a mit 9 bezifferten Baukörper zeigt.

In der Bildbeschreibung ist unter Nr. 5 ein Gasthaus (Abb. 1b) innerhalb der Klostermauern aufgeführt. Somit bekommt die Benennung der Wirte außerhalb des Klosters (Pforte) eine besondere Bedeutung. Der erste nachgewiesene Wirt in der heutigen Hofwirtschaft war Paul Schweizer (1669 - 1684).

Die Zusammenstellung „Kaisheimer Wirte außerhalb des Klosters (Pforte)” finden Sie >> hier.


Abb. 2 – Grabstein mit Inschrift

Der Böße Apfelbiß!
Wir leben nur zu sterben.
Mit wehmuth klagen dieß
Die Trauervollen Erben
Der Hier ruhenden Wohlediln Frau
Maria Ursula Bauhöfinn
Gewesenen Hoffwirthinn In Kaisersheim
Welche den 5. Jänner 1715 geboren,
Den 2. Martij 1772 Selig entschlaffen
Als Martha hat sie Doch den besten
Theil gewählt
Der Tod Fand sie bereit,
Weil er vor Langer Zeit
Sich durch den Schlag gemeldt.
Sie ist geliebt, bedauert, Versenkt in
gott verschieden
Bey Frommen Seelen fehlt es nie.
Du Leser bitt für sie,
Und wünsche ihr bey gott den frieden.

R. I. P.

Interessant ist hierzu auch die Inschrift auf der nebenstehenden Grabplatte einer ehemalig gewesenen „Hofwirthin” (gestorben 1772). Der Grabstein für Maria Ursula Bauhoff dürfte einst bei St. Martin gestanden sein und befindet sich jetzt im Marienmünster, eingelassen in die Mauer zwischen dem nördlichen Seiteneingang und des Beichtstuhles (Abb. 3). Die Familie hatte das benachbarte Gasthaus (jetzige Hofwirtschaft) inne und hat den Kreuzweg in der einstigen Laienpfarrkirche (St. Martin) – später Garnisonskirche – gestiftet.

Diese ehemalige Wirtin Maria Ursula wurde 1715 in Rottenbuch (Eltern Laurentius und Walburga Mayr, Wirtsleute in Rottenbuch geboren. Sie war insgesamt dreimal verheiratet mit

Schweizer Johann Rogerius von 1733 - 1737
Buckl Josephus Antonius von 1739 - 1743
Bauhoff Johann Baptista von 1743 - 1772

Alle drei Ehemänner waren Kaisheimer Wirte und Metzger außerhalb des Klosters (Pforte). Enthalten auch in der oberhalb genannten Zusammenstellung der Wirte.


Der vorgenannte Kreuzweg (siehe Abb. 3) ist ein Werk des Meisters Ignaz Anton Johann Günther aus dem Jahre 1751 und ist heute noch im hinteren Teil der ehemaligen Klosterkirche zu sehen. Die beiden Bilder des von der Familie gestifteten Kreuzweges hängen ebenfalls zwischen dem nördlichen Seiteneingang und des Beichtstuhles im Marienmünster.

Die Laienpfarrkirche / Garnisonskirche stand auf dem heutigen Friedhof in der Nähe des südlichen Einganges, oberhalb der Hofwirtschaft. Diese Kirche St. Martin vor den Pforten wurde 1387 unter Abt Johannes III. Müller (reg. 1380 – 1400/1401) eingeweiht. Dies geschah wahrscheinlich gleichzeitig mit der Einweihung des Marienmünsters im November 1387 an einem Sonntag zum Feste des heiligen Leonhard. St. Martin vor den Pforten wurde unter Abt Rogerius I. Röls (reg 1698 – 1723) 1709 erneuert und 1872 mit der Barockfassade der Klosterkirche abgebrochen. Die Kirche diente den im Kloster beschäftigten Laien sowie dem Kaisheimer Militär als Gotteshaus. Das Kloster Kaisersheim wurde 1656 vom Kaiser als reichsfreie Abtei ernannt und musste somit ein eigenes Militär unterhalten. Interessant ist, dass diese Kirche mit dem dazugehörigen „Würthshaus” auf dem Gebiet des Bistums Eichstätt in der Gegend des heutigen Friedhofs lag. Nach der Säkularisation wurde sie zunächst entweiht, der damalige Friedhof aufgelassen und der heutige Gottesacker angelegt.

Die Garnisionsstärke der in Kaisheim stationierten Soldaten ist 1731 auf ca. 80 – 100 Mann angewachsen. 1732 wurde deshalb eine Kaserne nördlich des Torturmes, außerhalb des Klosters und gegenüber des „Würthshauses” unter Abt Rogerius II. Friesl (reg. 1723 – 1739), heute das sogenannte „Widerhaus”, errichtet. Als Anbau zu dieser Kaserne wurde die Wohnung des Doctors eingerichtet. Die Eingangstüren und die großen Tore im östlichen und nördlichen Teil des Gebäudes weisen auf einen Bau des Klosters hin. Außerdem sind im Innern des südlichen Bereiches große breite Gänge vorhanden.

Dieses Gebäude (Kaserne und Wohnung des Doctors) wurde 1957 von Josef und Adelbert Wider erstanden und als Wohngebäude gestaltet.

Dazu siehe den nachfolgenden Lageplan (Abb. 5) des "Closters Keißersheimb" nach Erneuerung der Klosteranlagen unter Abt Rogerius I. Röls (reg. 1698 – 1723).

Abb. 3 – Grabstein (links) und die beiden Bilder des Kreuzweges (Mitte oben)
Abb. 4 – Ansicht des Klosters Kaisheim zur Zeit der Säkularisation. Maler unbekannt Im Hintergrund (rechts im Bild) die Kirche St. Martin vor den Pforten
Abb. 5 – Closter Keißersheimb, Federzeichnung, koloriert. Zweite Hälfte 18. Jahrhundert.
Abb. 5 a – Ausschnitt aus Abb. 5

Nr. 29 die Caserne
Nr. 30 Wohnung des Doctors
Nr. 31 Wohnung des Kanzlers, heute Pfarrhof
Nr. 32 Wohnung des Untervogts, heute Apotheke
Nr. 33 Ziegelstadel mit einem Wohnhaus für den Ziegler, heute Bauernhof Raab

Diese vorgenannten Gebäude Nr. 29 - 33 waren außerhalb der Klostermauern angesiedelt.


Umbau: – Das 3-geschossige Gebäude des „Würthshauses“ wurde unter Abt Coelestin I. Meermoos (reg. 1739 – 1771) nach Erstellung der gegenüber liegenden Kaserne umgebaut. Dass dies unter Abt Meermoos vorgenommen wurde, zeigen die im geschmiedeten barocken Gitter des Eingangsportales (siehe Abb. 6) der heutigen Hofwirtschaft angebrachten Buchstaben C. A. K. (Coelestin abbas Kaisheimensis). Der 3. Stock mit einem schönen festlichen Saal und die beiden südlichen Türme wurden abgetragen. Der Standort der beiden südlichen Türme kann noch an den vorhandenen baulichen Gegebenheiten genau festgestellt und bestimmt werden. Dieses Gebäude hat zu dieser Zeit das heutige äußerliche Aussehen der jetzigen Hofwirtschaft bekommen. Die weiteren Umbauten im Inneren des Gebäudes können nach dem derzeitigen Bestand nur vermutet werden.

Abb. 6
Abb. 7 – Heutige Ansicht der Ortsmitte Kaisheim (1. Oktober 2015)

Nr. 1  Die Hofwirtschaft, das renovierte „Würthshaus”
Nr. 2  Der heutige Friedhof, der ehemalige Standort der Kirche St. Martin
Nr. 3  Die damalige Kaserne mit der Wohnung des Doctors (Nr. 4), heute das sogenannte „Widerhaus”
Nr. 5  Die ehemalige Wohnung des Kanzlers, heute das Pfarrhaus
Nr. 6  Hinter dem Pfarrhaus die ehemalige Wohnung des Untervogts, heute die Apotheke
Nr. 7  Hinter dem Pfarrhaus (das kleine Querdach) der damalige Ziegelstadel und schräg gegenüber die Wohnung des Zieglers (Nr. 8), heute Wohnung und landwirtschaftlicher Hof der Familie Raab
Nr. 9  Links neben dem Torturm das Gebäude mit kleinerem Turm das ehemalige „Ober Richterambt” des Klosters Kaisheim, heute Bäckerei Neuner

Anschließend zur Info noch ein Lageplan mit dem Gebäudebestand um 1800

Abb. 8

Quellenangaben:

*1) Martin Schaidler: Chronik des ehemaligen Reichsstiftes Kaisersheim. Nördlingen 1867 Der Hinweis auf die betreffenden Fundstellen kam von Bruno König, Kaisheim.
*2) Dr. Werner Schiedermair: „Kaisheim – Markt und Kloster” – 2001

Weitere Quellen
Adam Horn: Die Kunstdenkmäler von Bayern – III Landkreis Donauwörth – 1951
Rudolf Braun: Streiflichter aus der Geschichte des Klosters Kaisheim – Juli 2002
Johann Lang: Ehemalige Klosterkirche der Zisterzienser in Kaisheim – Kirchenführer 3. überarbeitete Auflage
Obel und Partner GbR, Freie Architekten BDA: Gutachten zum Umbau und zur Instandsetzung der Hofwirtschaft – hier: Voruntersuchung – Zur Historie der „Hofwirtschaft” –  vom 5. September 2006
Franz Xaver Baur: Ortsfamilienbuch Kaisheim – 2001

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Bilder:

Buch „Kaisheim – Markt und Kloster” *1): Abb. 1, 4 und 5
Sigmar Hientzsch:  Abb. 2, 3, 6 und 7
http://www.sueddeutscher-barock.ch/:  Abb. 8 unter „Orte” >> „Kaisheim”

 





 

September 2016